Kirche/Orgel

Pfarrkirche „St. Matthäus“

Baugeschichte

Pfarrkirche Kinsau Außenansicht_kDer erste Bau einer Kirche in Kinsau lässt sich sowohl in der Datierung als auch im Aussehen nur erahnen. Dass ihr Patron ein Apostel, der Hl. Matthäus, ist, lässt den Schluss zu, dass der Ursprung vielleicht in der Missionierungszeit des Hl. Magnus (+ 750) zu suchen ist. Doch erfahren wir erstmals im Jahr 1450 etwas über die Kirche, als der Pfleger dem Herzog schrieb: “Item ist die Kirch ze Kunisau baufellig.“ Ob sie ein schlichter Holzbau oder aus Stein errichtet war, ist nicht erwähnt. 1651 beginnen die vorhandenen Kirchenrechnungen und damit die genaue Geschichte.

Obwohl die Kirche klein war, so genügte sie doch den Ansprüchen der Dorfbewohner. Erst die Wallfahrt ab 1708 (siehe Kapitel „Wallfahrt“) ließ Überlegungen zu einer Änderung aufkommen; denn „da ist in und außer der Kirche voll Leut gewesen, die wegen der Enge des Ortes schlecht akkomodiert waren“, so dass bei gutem Wetter der Gottesdienst im Freien gefeiert wurde. Auch der hölzerne Anbau (1709) schuf keine wesentliche Abhilfe. Die reichlichen Opfer der Wallfahrer erleichterten den Beschluss zum Neubau einer größeren Kirche.

Der Schongauer Bürgermeister Johann Pöllandt fertigte erste Pläne, letztendlich gab der Bischof jedoch den Entwürfen des Stadtschreibers G. Adam Mösl den Vorzug, so dass am 4. April 1712 die Grundsteinlegung erfolgte und unter der Leitung des Baumeisters Thomas Natterer, Mindelheim, der Neubau entstand. Kirchweih konnte am 19. April 1714 gefeiert werden.

Das große, neue Gotteshaus ließ jedoch den bisherigen Turm zu klein erscheinen, so dass 1717 die Erhöhung auf die jetzige Höhe erfolgte und der Kirche von allen Seiten einen majestätischen Anblick verlieh.

Nach diversen Renovierungen präsentiert sich die Pfarrkirche innen heute so:

Pfarrkirche Kinsau Innenansicht_kDie umfassendsten Änderungen erfolgten 1892 unter Stegmüller aus Schongau. Er malte sämtliche Deckengemälde, fasste die Stukkaturen und tünchte die Wände. Eine gelungene Renovierung innen und außen (1987/88) ließ das Gotteshaus wieder in neuem Glanz erstrahlen.

Wallfahrt

Die Wallfahrt zur Muttergottes nach Kinsau prägte die Geschichte der Pfarrei in ganz besonderem Maße.

Sie nahm ihren Ausgang 1708, als der Mesner Bader dem Dekan Selder erzählte, dass er von seiner alten Mutter über die auf dem rechten Seitenaltar stehende, vermutlich aus der Muttergottes Pfarrkirche KinsauZeit um 1500 stammende Marienstatue Folgendes gehört habe: „Da ein Fuhrmann auf der Straß nit mehr kundte weiter fahren, habe er versprochen, einen Altar und darein unser lieben Frauen Bildnus in die negste Kirche machen zu lassen. Nach diesem Gelibdt habe er alsbald wieder können weiterfahren; ist auch, was er verlobt, bewerkstelligt, der Altar samt Bildnus in die Kirch von Kinsau verordnet worden.“ Von einer besonderen Verehrung der Statue ist aber zunächst nichts bekannt.

Erst das Ereignis des denkwürdigen 24. Juni 1708 veranlasste Selder, die weiteren Erzählungen Baders zu Protokoll zu nehmen: „Es war der Samstag in der Fronleichnamsoktav, nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr. Der Pfarrer hielt eben die Vesper und betete das Magnificat, da sah der Mesner, dass das Bild an der rechten Wangeetwas größer wurde, vom Aug herab zwei blaue Strich, am Kinn aber war ein großer wassriger Strich, als ob Wasser rausfließen würde, wenn man mit einer Glufen hineinstechen würde. Nach der Vesper hat dies auch der Pfarrer gesehen und viele andere der Kirche zulaufenden Leute. Noch selbigen Abend hat ein Mann von Kinsau, so üblen Gesichts, daß er beförchte, er komme um die Augen und kinte sein Stuck Brot nimmer verdienen, Maria in diesem Bildnus angerufen, ist schnell erhört und mit genugsamen Augenlicht begnadet worden. Nach ihm haben auch andere in ihren Nöten und Leibsanliegen wunderbare Hilfe erlangt. Diese Zeit hero seind die blaulechten Strich von dem Aug rechten Wangens sichtbarlich geblieben; der wassrige, wie Chrystall scheinende Strich umb das Kinn vergeht bisweilen, doch nit gar, wird zu Zeiten kleiner und wiederumb größer. Es wird auch an den unteren Lefzgen des Bildnus ein schön rotes Strichlein am End der Lefzgen herumgehend, doch noch nit so lang so, gesehen, wie auch an den beiden Enden es Mundes ein weißes Blümle; bisweilen ist die Bildnus ganz bläulich entfärbt bis zu den Augen, wie ein dahinsterbender Mensch; es wird aber bisweilen ganz schön und wohlgefärbt. Dahero mehrere Personen dieser Kirche täglich zugehen, die Bildnus anzusehen und zu verehren; es werden auch unterschiedliche wächserne Opfer auf den Altar gelegt.“

Die Kunde von diesen Vorgängen verbreitet sich mit größter Schnelligkeit in der ganzen Umgebung. Scharenweise kamen die Fremden zu „Unserer Lieben Frau in Kinsau“. Nach einer Wallfahrt der Schongauer hörte ein großes Sterben auf, bereits nach eineinhalb Jahren verzeichnet der Pfarrer schon „30 Guttaten“ wie z. B. Errettung vor dem Ertrinken, WiedererlangIMG_0420_bearbeitet-1ung des Augenlichts, der Gehfähigkeit, der Sprache oder des Gehörs. Von weit her kamen die gläubigen und hoffenden Wallfahrer: Immenstadt, Antdorf, Hornbach im Tiroler Lechtal und aus dem Etschland/Südtirol. Auch wenn einige an der Statue mehr sahen, als zu sehen war, dass wunderbare Gesichtsveränderungen vorkamen, dürfte außer Zweifel stehen. Trotz vorheriger Skepsis und Widerstands des Ordinariats wurden 1708 noch zwei zusätzliche Kapläne angestellt. Auf Betreiben des Dekans Baur, der sich beklagt: „Alle Tage sitze ich bis 10 und 11 Uhr im Beichtstuhl“ und „dass innerhalb acht Tagen 2200 Personen hier gebeichtet haben“, wird sogar ein dritter Kaplan zu Verstärkung geholt. 1711 verzeichnete man 2000 große und 15000 kleine Hostienreichungen. Aufgrund der zahlreichen Wallfahrer aus Schongau, Hohenfurch, Niederhofen, Denklingen, Leeder, Unterdießen, Aufkirch, Blonhofen usw. schreibt der Schongauer Magistrat 1715 „daß man die Wallfahrt wohl unter die vornehmeren in Bayern rechnen darf. Die großen Wohltaten und offenbaren Wunder bezeugen die nach dem Hundert vorhandenen Votivtäfelchen und die Aufzeichnungen des Pfarrers.“ Ein sonderbarer Brauch der Wallfahrer war, Öl aus der Lampe des Ewigen Lichts als „ein berühmt übernatürlich Heilmittel für Krankheit und Zaubereien abweg trugen“. Die Ölrechnungen bezeugen es. Man gab es den Pilgern mittlerweile in kleinen Gläschen mit, von denen z. B. 1716 2000 Stück angeschafft wurden.

In der neuen Kirche (siehe Geschichte der Pfarrkirche) kam das Gnadenbild, das bisher am Seitenaltar stand, auf den Hochaltar. Der Vorschlag des Pfarrers, Maria zur Patronin der neuen Kirche zu machen, wurde nicht genehmigt, es blieb der hl. Matthäus. Papst Clemens XI. erteilte jedoch einen vollkommenen Ablass auf die beiden Feste Maria Heimsuchung und Maria Himmelfahrt.

In den nächsten Jahren ließ der Zustrom stark nach und stieg allenfalls in den 40er-Jahren des 18. Jhs. nochmals aufgrund der einsetzenden Wieswallfahrt an, da viele Pilger auf dem Weg dorthin auch Kinsau aufsuchten.

Nach dem Bau der Wieskirche, wohl eine der schönsten Rokokokirchen der Welt, verblasste natürlich der Glanz der Kinsauer Wallfahrt. Allenfalls der Raub der Muttergottes (siehe nächste Seite) zog kurz Aufmerksamkeit auf sich. Säkularisation und einhergehende Bestimmungen schränkten Wallfahrten stark ein.

Ganz jedoch erlosch die Kinsauer Wallfahrt nie. Und so kommen auch heute noch Gruppen aus der oberbayerischen und schwäbischen Nachbarschaft alljährlich nach Kinsau, wo sie gerne durch das Läuten der Kirchenglocken von Mesner Leonhard Weiher empfangen werden.

Raub der Kinsauer Muttergottes

Kinsau ehem. AltarbildNur kurz verhalf ein ungewöhnliches Ereignis Kinsau zu neuem, zweifelhaftem Ruhm: Der Raub des Gnadenbildes durch den Schulmeister Candidus Betz. Dieser war ein lockerer Geselle, spielte an den Sonntagen lieber in der Umgebung zum Tanz auf und versäumte so seinen Mesner- und Schuldienst. Der Pfarrer, damals der Vorgesetzte von Lehrern, drang auf seine Absetzung. Betz revanchierte sich auf seine Art: In der Meinung, wenn das Gnadenbild weg sei, bekäme der Pfarrer von den Wallfahrern keine Meßstipendien mehr, trug er am 28. Februar 1768 das Bild aus der Kirche und vergrub es. Groß war der Jammer der Kinsauer, die vergeblich die Statue suchteehem. Altarbild Inschrift_kn. Endlich gestand Betz die Freveltat, und so wurde das Gnadenbild an der Köllberghalde gefunden und am Ostermontag, 19. März 1768 unter gewaltiger Volksbeteiligung in einer Prozession wieder in die Kirche gebracht. 1892 malte Stegmüller das Ereignis auf das ehemalige Hochaltarbild. Zur Erinnerung wurde 1913 an der Fundstelle die Köllbergkapelle errichtet (siehe Kapellen).

Quellenangabe:
Die Beiträge über die Pfarrkirche, die Wallfahrt und den Raub der Kinsauer Muttergottes sind gekürzt wiedergegeben und ergänzt nach „Geschichte von Kinsau“, Karl Schilcher, 1906, ergänzte Neuauflage von 1954, Landsberger Verlagsanstalt M. Neumeyer

Ein anlässlich der 300-Jahr-Feier erstellter ausführlicher Kirchenführer ist über den nachfolgenden Link zu lesen. (Die Fotos sind aufgrund der für diese Seite notwendigen Komprimierung nicht in der Originalqualität.) Kirchenführer Kinsau Pfarrkirche